Last Updated on 2020-04-19 by Birk Karsten Ecke
Historisch bedingt ist das Eisenbahnnetz der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, aber auch Finnlands bis heute in der 1520-mm-Breitspur ausgebaut. Alle genannten Länder gehörten geraume Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu Russland, die drei baltischen Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1991 auch zur Sowjetunion. Die Breitspur ist ein großer wirtschaftlicher Vorteil für den Handel mit Russland und den Transit von Gütern in die eigenen Häfen, aber gleichsam ein großes Hemmnis für den Austausch von Gütern auf dem Schienenweg mit Westeuropa. Abhilfe aus diesem Dilemma soll die Rail Baltica schaffen, die letztendlich Helsinki, Tallin, Rīga, Kaunas und Warschau bzw. Berlin verbinden wird – mit der Normalspur und dem entsprechend 1435 Millimeter Spurbreite.
Die größte Herausforderung stellt dabei die Streckenführung im Zentrum von Rīga dar (siehe auch http://edzl.lv/assets/upload/kartes/IVN_karte_Riga_Stopini_Marupe.pdf – PDF – 18 MByte oder https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer?mid=14ViyipBQg8vhbBP75jNHjf7N5pw&ll=56.94256840440681%2C24.11630991857851&z=16). Der Hauptbahnhof von Rīga befindet sich am Rande der Altstadt und in unmittelbarer Nähe eines durch das Weltkulturerbe geschütztem Areals, das von der Altstadt bis zum Zentralmarkt reicht. Der breite Fluss Daugava muss mittels einer langen Brücke (ca. 1.600 Meter) überquert werden. Planungen sehen vor, dass neben zwei neu gebauten Gleisen Normalspur auch zwei Gleise Breitspur erhalten bleiben müssen. Das bedingt den Bau einer neuen Eisenbahnbrücke in einem dicht bebauten Gebiet. Südlich des Hauptbahnhofes befinden sich der Zentralmarkt, der Zentrale Omnibusbahnhof mit den Fernbussteigen, das Einkaufszentrum Titāniks und dem großen Parkhaus – das alles in unmittelbarer Nähe zum jetzigen Bahndamm mit den zwei Gleisen in Breitspur.

Bild: Rīga – Die historische Eisenbahnbrücke über die Daugava führt zum Hauptbahnhof von Rīga, der Hauptstadt Lettlands.
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Dazu kommt die Anbindung an die Rail Baltica des Internationalen Flughafens von Rīga, der am südwestlichen Stadtrand liegt. Der Flughafen ist bis heute nur über zwei Busverbindungen – von denen eine durch Minibusse mit einem eher geringem Nutzwert bedient wird -, oder Taxis mit dem Zentrum der Stadt verbunden. Die Verlegung des Schienenstranges in einer direkten Verbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen über den Bahnhof Torņakalns auf dem gegenüberliegenden Ufer der Daugava zum Flughafen ist praktisch unmöglich, da das gesamte Gebiet sehr dicht bebaut ist. Es bleibt also nur der Umweg über die vorhandene Bahntrasse von Torņakalns (in Richtung Tukums) über Imanta und unbebautes, aber bewaldetes Gebiet in Mūkupurvs (Das am Flughafen – Es gibt noch eins östlich von Torņakalns unmittelbar am Ufer der Daugava.) zum Flughafen Rīga.
Der Hauptbahnhof muss in großen Teilen umgebaut werden. Der Hauptbahnhof von Rīga ist heute mehr eine Shopping Mall mit einem großen Supermarkt, normalen Geschäften eher internationaler Ausrichtung und Boutiquen, Kiosks und Restaurants als ein Bahnhof. In der Haupthalle ist die Situation besonders unübersichtlich. Die Ticketschalter sind zwischen den Kiosks, Geldautomaten, Geschäften und den Ausgängen zu den Tunneln kaum zu finden. Reisen mit dem Zug in Lettland ist heute eines letzten echten Abenteuer, das man in einem nordeuropäischen Staat noch unternehmen kann. Die Bahnsteige sind gegenüber den Wagons abgesenkt, so dass man echt in die Wagons klettern muss, für Menschen mit einem Handicap ist das nicht einmal mit Hilfe zu bewerkstelligen. Das Streckennetz ist extrem ausgedünnt. Züge verkehren nur noch selten und bummeln über das zugegeben marode Schienennetz.

Bild: Rīga – Die historische Eisenbahnbrücke über die Daugava führt zum Hauptbahnhof von Rīga, der Hauptstadt Lettlands.
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Ein großes Hindernis ist auch, dass heute fast alle Güterzüge den Hauptbahnhof passieren müssen. Diese Güterzüge in Lettland sind endlos lang, schwer beladen und auf Grund der zumeist verwendeten dieselelektrischen Loks sowjetischer Bauart mit einer extremen Lärmemission und Rußentwicklung verbunden. Man muss schon wirklich technikaffin sein, um das zu mögen. Ich mag den Klang der alten russischen Loks mit mehr als 2500 KW sehr. Davon haben die meisten Züge zwei Stück – ein echtes Erdbeben. Ein 10-Zylinder-Dieselmotor hat zweifellos einen geilen und unvergleichlichen Klang. Den hört man auch über mehrere hundert Meter und spürt die Vibrationen von Loks und Frachtwagons. Aber das mag leider nicht jeder. Das akzeptiere ich auch. Hier müssen neben den Gleisen für die Züge der Rail Baltica auch ausreichend lange Ausweichgleise für die Güterzüge geschaffen werden. Diese Maßnahmen erfordern Eingriffe in die Bahnüberführungen fast aller in der Nähe des Hauptbahnhof gelegenen Straßen, wie Gogoļa und Turgeņeva iela, Elizabetes iela, Timoteja iela, Kļavu iela bis zur Dzirnavu iela.
Die heute noch vorhandene Eisenbahnbrücke über die Daugava, die den Osten mit dem Westen der Stadt verbindet, stammt, wurde im Jahre 1914 fertiggestellt. Es gab noch eine weitere, nur wenige Meter nördlich gelegene Eisenbahnbrücke. Diese wurde bereits im Jahre 1872 errichtet. Beide Eisenbahnbrücken wurden während des Ersten Weltkrieges gesprengt. Nur die südliche wurde auf den Fundamenten von 1914 wieder aufgebaut. Eine erneute Sprengung der verbliebenen Brücke fand 1944 während des Zweiten Weltkrieges statt. Der Wiederaufbau war erst 1950 abgeschlossen. Von der Eisenbahnbrücke des Jahres 1872 stehen heute noch die Pfeiler.

Bild: Rīga – Mit dem Bau der Rail Baltica wird es eine eine zweite Eisenbahnbrücke über die Daugava geben. Diese wird südlich der alten verlaufen und soll den Blick auf die alte Brücke nicht stören.
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Bild: Rīga – Eisenbahnbrücke über die Daugava und Straßenbahn im Bereich der 13. janvāra iela an einem Abend im Spätherbst.
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Bild: Rīga – Eisenbahnbrücke über die Daugava im Bereich der 13. janvāra iela an einem Abend im Spätherbst.
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Hier haben die Planer der Rail Baltica den Erbauern der neuen Trasse folgende Aufgaben ins Lasterhaft geschrieben: Die neue Eisenbahnbrücke muss südlich der Brücke von 1914 und parallel dieser folgen. Das Design darf der alten Brücke mit den Rundbögen nicht wesentlich ähneln. Der Blick von der Altstadt auf die alte Eisenbahnbrücke darf nicht gestört werden. Mit diesem Designkriterum kommen wir zu den nächsten zwei Problembaustellen.
Da ist zuerst einmal der Zentrale Omnibusbahnhof, von dem die Fernbusse nach diversen Orten in Lettland, aber auch Estland, Litauen, Polen und Deutschland abgehen. Dieser liegt östlich unmittelbar neben dem bisher relativ schmalen Bahndamm mit den zwei Gleisen in Breitspur. Wenn die Strecke der Rail Baltica mal gebaut wird, kann man technisch möglich machen, dass sich zumindest ein Teil des Zentralen Omnibusbahnhofs unter dem Bahndamm befindet. Das ist nur eine Frage der Planung und des eingesetzten Geldes. Solange aber gebaut wird, muss der Zentrale Omnibusbahnhof weichen. Eine temporäre Ausweichmöglichkeit soll zwischen dem Ufer der Daugava und dem Bahnhof Torņakalns entstehen – mal sehen, ob sich die Verantwortlichen auch Gedanken über die Verkehrsanbindung an diese Interimslösung gemacht haben.

Bild: Rīga – Der Zentrale Omnibusbahnhof befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bahndamm.
Für den Bau der Rail Baltica muss er zumindest zeitweise an einen anderen Ort verlagert werden.
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Bild: Rīga – Der Zentrale Omnibusbahnhof befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bahndamm.
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Bild: Rīga – Der Bau der Rail Baltica macht den Stadtteil Torņakalns zu einem der wichtigsten Punkte des Baltikums zur Verbindung mit Westeuropa.
Hier an der Vienības gatve zwischen der Daugava und dem Bahnhof von Torņakalns soll zwischenzeitlich für den Bau der Rail Baltica der Zentrale Omnibusbanhof entstehen.
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Zweitens: Das größte Problem ist zweifellos das Einkaufszentrum Titāniks mit dem Parkhaus. Es befindet sich ebenfalls dicht neben neben dem jetzigen Bahndamm. Hier ist eine Lösung am schwierigsten. Es kann nicht so einfach in den neuen Bahndamm integriert werden. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten – entweder radikal verkleinern oder komplett abreissen. Das Parkhaus ist mit modernen Mittelklasseautos sowie nicht nutzbar, weil zu eng. Vom Angebot in diesem Einkaufszentrum wären beide Möglichkeiten auch kein Verlust, aber die Preise der angebotenen Waren sind sehr billig. Hier müssen die Planer der Rail Baltica zwischen Wirtschaft und Menschenliebe entscheiden. Das Leben ist eben hart.

Bild: Rīga – Die Prāgas iela führt über einen Fußgängertunnel direkt zum Zentralmarkt und dem Einkaufszentrum Titāniks.
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Bild: Rīga – Der Stadtkanal unter dem Kaufhaus Stockmann: Der Stadtkanal darf durch den Bau der Rail Baltica nicht beeinträchtigt werden.
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Drittens: Der Zentralmarkt. Dieser Markt ist sichtlich in die Jahre gekommen. Es gibt dringenden und grundlegenden Renovierungsbedarf. Teile der Uferbefestigung befinden sich einem desolaten Zustand. Die beiden Ufer des Stadtkanals im Bereich der Zentralmarkthallen sollen in eine parkähnliche Landschaft verwandelt werden. Das wird natürlich die Preise auf dem Markt steigen lassen, aber mit der Etablierung des Gastro Pavillons ist der Zentralmarkt ohnehin bereits zu einem Schauspiel für Touristen mit Sushi Bars und Wok Restaurants geworden. Gefährdet sind die Buden zwischen der Fleischhalle und der Gogola iela. Zum Einen liegen sie direkt am Bahndamm und zum Anderen möchte man hier gerne einen repräsentativen Platz haben. Diese Buden sind im Moment zweifellos kein Aushängeschild für die Stadt und auch die Gogola iela

Bild: Rīga – Mit dem Bau der Rail Baltica wird auch das Ufer des Stadtkanals im Bereich des Zentralmarktes aufgewertet. Im Moment ist es vielleicht zweckmäßig, aber jedenfalls ist es nicht sehr einladend.
Das Foto ist an einem Abend im Spätherbst entstanden und zeigt von links nach rechts ein paar der Hallen des Zentralmarktes, den Stadtkanal, die Eisenbahnbrücke über die Daugava und das Terminal des Zentralen Omnibusbahnhofs.
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Die 13. janvāra iela, eine der vielbefahrenen Straßen von Rīga, soll im Zuge des Ausbaues der Rail Baltica komplett umgestaltet werden. Es gibt Studien, die eine parkähnliche Gestaltung zeigen. Der prinzipielle Straßenverlauf wird erhalten bleiben. Es wird über einen unterirdischen Parkplatz unter der Straße nachgedacht. Es soll auch mehrere breite Fußgängerüberwege geben. Das Ziel ist, Fußgängern bessere Möglichkeiten zu geben zum Zentralmarkt zu kommen, als bisher. Im Moment gibt es nur den Fußgängertunnel zur Prāgas iela. Der ist für Menschen mit Kinderwagen oder einem Handicap praktisch nicht benutzbar. Wenn im Winter Schnee gefallen ist, sind die derzeitigen Ein- und Ausgänge nicht wirklich einladend, denn dann ist es hier sehr glatt.

Bild: Rīga – Mit dem Bau der Rail Baltica wird sich auch das Erscheinungsbild der 13. janvāra iela, die zwischen Bahndamm und Altstadt verläuft, ändern.
Es wird mindestens Fußgängerüberwege geben.
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Bei all den Planungen muss beachtet werden, dass die Rail Baltica zwischen dem Hauptbahnhof von Rīga und dem linken Ufer der Daugava an zahlreichen Objekten vorbeiführt, die als Weltkulturerbe oder Nationales Erbe eingestuft sind und die durch die notwendigen Maßnahmen zum Bau dieser Eisenbahnlinie nicht verändert werden dürfen.

Bild: Rīga – Der Bau der Rail Baltica macht den Stadtteil Torņakalns zu einem der wichtigsten Punkte des Baltikums zur Verbindung mit Westeuropa.
Der Stadtteil liegt am westlichen Ufer der Daugava, nur wenige Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt.
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Der Stadtteil liegt am westlichen Ufer der Daugava, nur wenige Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt.
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Der Stadtteil liegt am westlichen Ufer der Daugava, nur wenige Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt.
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Der Stadtteil liegt am westlichen Ufer der Daugava, nur wenige Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt.
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Das ehrgeizige Projekt soll bis 2026 abgeschlossen sein. Es soll für die gesamte Strecke ungefähr 5,8 Milliarden EURO kosten – weniger als Stuttgart 21. Die Reisezeiten zwischen dem zentralen Eisenbahnknotenpunkt Rīga und Vilnius und Tallinn sollen nur noch etwa 2 Stunden oder wenig mehr betragen. Bei der terminlichen Verwirklichung und den Baukosten bin ich mehr als skeptisch. Die ersten Unternehmen zur Realisierung der Rail Baltica sind inzwischen unter Vertrag genommen. Dennoch hängt das Projekt hinter dem Zeitplan hinterher.
Externe Links
Karte des geplanten Streckenverlaufes der Rail Baltica in Rīga – Rail Baltica (PDF – 18 MByte): http://edzl.lv/assets/upload/kartes/IVN_karte_Riga_Stopini_Marupe.pdf
Karte des geplanten Streckenverlaufes der Rail Baltica in Rīga – Google Maps:
https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer?mid=14ViyipBQg8vhbBP75jNHjf7N5pw&ll=56.94256840440681%2C24.11630991857851&z=16