Last Updated on 2019-07-18 by Birk Ecke
Wenn mich jemand fragt, was für mich besonders typisch für die lettische Hauptstadt Rīga ist, fallen mir sofort die zahlreichen Wassertürme in den Vororten ein, die am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Rīga war damals durch ein rasantes Bevölkerungswachstum in Folge der Industrialisierung geprägt. Die vor dem Ersten Weltkrieg noch von Baltendeutschen dominierte Stadtverwaltung erkannte recht schnell, dass eine Versorgung mit sauberem Trinkwasser essentiell für die Gesundheit der Bewohner war.
Im Stadtteil Āgenskalns, der am linken Ufer des Flusses Daugava liegt, gibt es in der Alīses iela einen besonderen Wasserturm. Seine im wahrsten Sinne des Wortes “bewegte” Geschichte sieht man diesem Bauwerk heute nicht mehr an. Der Wasserturm wurde im Jahre 1910 errichtet. Architekt war der baltendeutsche Wilhelm Bockslaff, der 1858 in Rīga geboren wurde und am Polytechnikum der Stadt an der Daugava studierte. Bockslaff stattete seine zahlreichen Bauten häufig im eklektizistischen Stil aus, das heisst er suchte sich sich Stilelemente aus verschiedenen Baustilen und Geschichtsepochen, die er in einem Gebäude vereinte.
Der Wasserturm von Āgenskalns ist eigentlich ein technischer Zweckbau, aber dennoch in Teilen in der Art der nationalen lettischen Romantik gestaltet. Das war für einen baltendeutschen Architekten zu dieser Zeit in Rīga gar nicht einmal ungewöhnlich. Jenseits der standardisierten und technisch bedingten Form, die Wassertürme damals hatten, muss man sich das Eingangsportal zu diesem Wasserturm einmal in Ruhe im Detail ansehen. Die interessante Geschichte des Wasserturmes von Āgenskalns fand im Jahre 1939 statt. Die Bevölkerung in Āgenskalns wuchs und der Platz wurde knapp. Also begann man immer höhere Häuser zu bauen.
Irgendwann brauchte man mehr Wasserdruck, um auch die oberen Stockwerke der damals neuen Häuser mit Wasser zu versorgen. Der 900 Tonnen schwere Turmkopf mit dem Wasserreservoir wurde 1939 um 7,5 Meter angehoben und der Turmhals neu aufgemauert, mit den gleichen roten Backsteinen. Diese Aktion war damals zweifellos eine technische Meisterleistung, von der heute keine sichtbaren Spuren mehr zu finden sind. Wer diesen Wasserturm heute sieht, kann das kaum glauben.
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